Beckenboden-Physiotherapie –
mehr als Beckenbodentraining

Am Anfang jeder Therapie steht ein ausführliches Erstgespräch (Anamnese). Die anschliessende körperliche Untersuchung (Befund) dient der Therapeut:in dazu, funktionelle und strukturelle Defizite zu evaluieren, Zusammenhänge zu erkennen sowie Symptome und individuelle Beschwerden zu erfassen (klinischer Denkprozess). Für einen genaue beckenbodenspezifische Untersuchung dient eine vaginale und/oder anale Tastuntersuchung; Voraussetzung dazu ist die individuelle Einverständniserklärung.
Die darauffolgende Behandlungsplanung orientiert sich an den Zielen und Einschränkungen der Betroffenen. Dabei stehen die Blasen-/Darmfunktion, die Lage von Blase, Gebärmutter und Darm sowie die Sexualfunktion im Fokus.

Die individuelle und spezifische Behandlung der Beckenbodenphysiotherapie basiert auf den Resultaten der körperlichen Untersuchung. Sie umfasst Massnahmen wie Patienteninformation, gezieltes Muskeltraining und Muskelentspannungstechniken, das Erarbeiten von günstigen Verhaltensstrategien und die Beratung von Hilfsmitteln. Bei Bedarf werden Trainingshilfen wie Biofeedback, Elektrostimulation, funktioneller Ultraschall, Druckballon, Dehn- und Massagestäbe eingesetzt. Für eine erfolgreiche Therapie braucht es in erster Linie die Bereitschaft für eine aktive Therapie. Die häufigsten Therapiemassnahmen werden in den folgenden Abschnitten kurz beleuchtet.

Therapiemassnahmen

Das koordinierte Zusammenspiel der Beckenboden-, Rumpf- (Bauch und Rücken) und Atemmuskulatur ist Voraussetzung für eine optimale Funktionsweise von Blase, Darm und Sexualität sowie deren bewussten Kontrolle. Die Kenntnis von Aufbau und Funktion der Organe ist daher Voraussetzung, um die zu Grunde liegenden Mechanismen zu verstehen und Verhaltensweisen bewusst zu verändern. Anhand von anatomischen Bildern und Modellen können Beschwerden lokalisiert und funktionelle Zusammenhänge erklärt werden.

Die richtige Aktivierung und Entspannung sind Voraussetzungen für einen gesunden und einsatzfähigen Beckenboden. Bei zu viel Spannung können Schmerzen entstehen oder die Entleerung von Blase und Darm werden unvollständig. Das Ziel ist also ein normaler Muskeltonus, genügend Kraft aber auch Entspannung in den täglichen Aktivitäten.
Verschiedene Biofeedback-Techniken helfen, die im Becken verborgenen Muskulatur kennenzulernen und die richtige Aktivierung und Entspannung zu trainieren. Lokale Behandlungstechniken der Beckenbodenmuskulatur und des Bindegewebes helfen Verspannungen zu lösen und Schmerzen zu lindern. Instruktionen im Umgang mit Massage- und Dehnstäben in Form eines Heimübungsprogrammes gehören ebenso dazu wie rein „passive“ therapeutische Techniken.

Kann die Beckenbodenmuskulatur korrekt aktiviert werden, steht einem Training zur Steigerung von Kraft und Ausdauer nichts im Weg. Basierend auf den persönlichen Zielen werden Trainingsempfehlungen sowie die Integration in den Alltag und optimales Verhalten in den individuellen Sportaktivitäten instruiert.

Gewohnheiten und Verhaltensweisen werden beleuchtet und kritisch hinterfragt, und individuelle Anpassungen instruiert. Nebst den rein körperlichen Veränderungen sind verhaltensspezifische Anpassungen oftmals essentiell um Beschwerden zu lindern. Zusätzlich helfen spezifische Fragebogen und Tagebücher, die aktuelle Situation zu analysieren. Sie werden zu Beginn, im Verlauf und am Ende der Therapie eingesetzt, um individuelle Ziele und Veränderungen zu objektivieren.

 

Biofeedback ist ein Sammelbegriff für verschiedene therapeutische Techniken. Biofeedback unterstützt den Lernprozess visuell oder taktil und wird zur Wahrnehmungsschulung sowie zur Kontrolle der Beckenbodenmuskelfunktion eingesetzt.
In der Beckenbodenphysiotherapie kommen unterschiedliche Biofeedback-Techniken zum Einsatz.

Mittels vaginaler oder analer Sonde zeigt das EMG-Biofeedback graphisch die Beckenboden-Funktion auf.

Funktionelles Ultraschall-Biofeedback nutzt herkömmlichen Ultraschall um die optimale Aktivierung und Entspannung des Beckenbodens sichtbar zu machen.

Druck- oder taktiles Biofeedback
kommen u.a. bei Funktionsstörungen im Enddarm zu Einsatz.
Die Ballontechnik ist eine Untersuchungs- und Behandlungsmethode bei der Sensibilität, Füllgrad und Reflexe im Enddarm und After gemessen und trainiert werden.

Biodeedback kann auch mit speziellen Heimgeräten angewandt werden.

Um verspannungsbedingte Schmerzen aufzulösen, werden unterschiedliche Dehn- und Massagestäbe eingesetzt. Nach erfolgter Instruktion werden diese selbständig im Heimübungsprogramm angewendet.

Elektrostimulation mittels vaginalen oder analen Sonden oder Oberflächenelektroden wird zur Unterstützung abgeschwächter Beckenbodenmuskulatur oder zur Regulation bei Reizblasenbeschwerden abgewendet.

Bsp. Gerät zur Elektro- und EMG Biofeedbackbehandlung

Je nach Erfahrung und Ausbildung gehört die Beratung und Anpassung von Pessaren zur Behandlung der Beckenbodenphysiotherapeut:in. Bei ärztlicher Verordnung werden diese Hilfsmittel von den Krankenkassen übernommen. Pessare werden empfohlen bei störendem Senkungs- oder Fremdkörpergefühl (Organsenkungen) und bei Urin- oder Stuhlinkontinenz.
Nachfolgend eine Auswahl an möglichen Pessaren und ihren Einsatzbereich.

Vaginalpessare:

Analpessare:

Verschiedene Biofeedbackgeräte und Apps können Sie beim konsequenten Durchführen Ihres Heimprogramms unterstützen