Information für Fachpersonen

In der Beckenbodenphysiotherapie werden Frauen, Männer und Kinder mit Beschwerdebildern aus den Fachgebieten der  Gynäkologie, Urologie, Urogynäkologie, Geburtshilfe, Proktologie, Neurourologie, Sexologie, Schmerztherapie sowie Pädiatrie behandelt.

Die Behandlung erfolgt auf ärztliche Verordnung und beginnt mit einer differenzierten Befundaufnahme, gefolgt von problemorientierter Patient education und individuell angepassten und dosierten Behandlungsmassnahmen

Informationsvideo Beckenboden englisch

Bei den meisten Betroffenen von Schmerzen im Beckenbereich sowie Blasen- Darm- oder sexueller Dysfunktion liegt eine Beckenbodendysfunktion vor. Diese kann durch Traumata, Operationen, Infektionen, Schwangerschaft und Geburt, Menopause, Fehlstellungen, neurologische Erkrankungen sowie Stress auftreten. Dabei kann die Beckenbodenmuskulatur sowohl unter- als auch überaktiv sein, einen zu tiefen oder zu hohen Muskeltonus aufweisen, reduziert sein in Muskellänge, -kraft, -ausdauer, -koordination sowie -relaxation.

Eine Überaktivität der Beckenbodenmuskulatur kann zu Schmerzen im Unterleib, Becken, Rücken, den unteren Extremitäten oder Genitalien führen. Es können dabei Symptome wie anorektale Dyssynergie, Verstopfung, Blasenentleerungsstörung, verstärkter Harndrang und -häufigkeit sowie Harn- und Stuhlinkontinenz auftreten.

Eine Unteraktivität der Beckenbodenmuskulatur kann in Urin- Stuhl- oder Windinkontinenz resultieren. Bei Frauen kann dadurch die Stabilität der Beckenorgane reduziert werden, was zusammen mit laxem Bindegewebe zu Organsenkungen beitragen kann. (Amy Stein et al. 2019)

 

Belastungsinkontinenz SUI

Überaktive Blase (OAB)

Misch-Urininkontinenz

Blasenentleerungsstörungen (neurologisch oder funktionell)

Enuresis

anale/ fäkale Inkontinenz

anorektale Dyssynergien

abdominodiaphragmale Dyssynergien

Enkopresis

Chronische Beckenschmerzsyndrome

Endometriose

Dyspareunie/ Vestibulodynie/ Vaginismus

Erektile Dysfunktionen/ Ejaculatio präcox

Die Befundaufnahme beginnt mit einer detaillierten Anamnese, welche Fragen zu muskuloskelettalen Beschwerden, Blasen-, Darm- und Sexualfunktion beinhaltet.

Der physische Untersuch beinhaltet Inspektion und Funktionsprüfung der umliegenden Gelenke und Muskeln (Rücken, Hüfte, ISG, Bauch) sowie den eigentlichen Beckenbodenbefund. Bei letzterem werden durch Sicht- und Tastbefund sowohl perineal als auch vaginal und/oder anal die Strukturen des Beckenbodens erfasst und beurteilt. Bei Bedarf werden weitere diagnostische Tests, Messinstrumente und spezifische Fragebogen eingesetzt.

Aufgrund der im Befund erworbenen Kenntnisse der Art der Dysfunktionen erstellt die Beckenbodenphysiotherapeutin Hypothesen und einen Behandlungsplan. Dieser wird mit der zu behandelnden Person besprochen (shared decision making). Sie erhält Informationen zu Anatomie und Physiologie der Beckenregion sowie zur Art der Dysfunktion. Ungünstiges Verhalten wird besprochen und günstigere Strategien erarbeitet, allfällige Hilfsmittel empfohlen. Die willkürliche Kontraktion und Relaxation der Beckenbodenmuskulatur wird gezeigt und ein passendes Übungsprogramm zur Verbesserung von Kraft, Ausdauer, Koordination und Relaxation erarbeitet.

Je nach Befund können auch Biofeedback (visuell, taktil, Druck oder EMG), Weichteiltechniken (Bindegewebsmassage, Behandlung myofaszialer Triggerpukte, Thiele-Massage), Elektrostimulation, Nervenmobilisationen und Dilatationen angewandt werden.

Befunde im Beckenbodenbereich beeinträchtigen die Lebensqualität in den ICF-Domänen Funktion, Aktivität und Partizipation. Die involvierten Themen und Bereiche sind für viele Betroffene schambehaftet. Umso wichtiger ist ein kompetenter und wertschätzender Umgang damit. Dies setzt ein Wissen und Können voraus, das nicht in der Physiotherapie- Grundausbildung enthalten ist. pelvisuisse setzt sich mit klaren Qualitätsstandards dafür ein, dass Patient:innen von gut ausgebildeten Beckenboden-Physiotherapeut:innen nach dem neuesten Stand der Wissenschaft gemäss Empfehlungen und Richtlinien von ICS, IUGA oder EAU untersucht und behandelt werden.